Peter Weiss versucht immer wieder neue Ausdrucksformen für sein Schaffen zu finden. Nachdem er mit der Malerei an seine Grenzen gestoßen war und er auch im Film keine dauerhafte Ausdrucksform gefunden hatte, verlegt er sich auf die schriftstellerische Arbeit. Es entstehen neben Prosatexten sehr bald Theaterstücke.
1960 kommt er mit Brecht und dessen Theatertheorie in Berührung. Brecht, dessen episches Theater bewusst mit Verfremdung arbeitet, um dem Publikum Altbekanntes im neuem Licht und bis dahin unbekannter Weise vorführt, versetzt das Publikum nicht nur ins kontemplative Staunen, sondern drängt zu selbstkritischen Mitdenken. Dies hinterlässt nachhaltig Eindruck bei Weiss. Peter Weiss ist fasziniert und beginnt, sich intensiv mit der Theatertheorie von Brecht auseinanderzusetzen und findet hier die Grundlagen für seine eigenen Werke sowie eine Antwort auf die Frage: Was und wie soll der Autor erzählen? Zentrale Bedeutung kommt auch der Wahrheit zu: Sowohl bei Brecht als auch bei Weiss geht es um Wahrheit. Diese zu formulieren und zu vermitteln ist schwer. Doch legt Brechts Theorie, die Wahrheit wäre unter Zuhilfenahme der Wissenschaften vermittelbar, den Grundstein für Peter Weiss' Dokumentartheater.
Das Dokumentartheater fußt, im Gegensatz zu dem bis dahin traditionellen Theater, nicht auf fiktiven Erzählungen, sondern auf realen Ereignissen. Oftmals geht dem Schreiben eines Stücks eine langwierige Recherchearbeit voraus. Peter Weiss selbst beschreibt es so:
Das dokumentarische Theater enthält sich jeder Erfindung, es übernimmt authentisches Material und gibt dies, im Inhalt unverändert, in der Form bearbeitet, von der Bühne aus wieder.
In dieser Äußerung formuliert sich Weiss' Motivation, die geschichtlichen Inhalte mit einem starken aktuellen Bezug zu präsentieren, um die Gegenwart einer kritischen Neubeurteilung zu unterziehen. Hierbei scheint ihm ein politischer Standpunkt aufgrund der Auseinandersetzung mit Recherchematerial schier unvermeidbar. Die Untrennbarkeit von politischem Denken und Handeln wird Peter Weiss im Laufe seines Lebens immer wichtiger. Bereits während seiner frühen Schaffensphase scheint ihm das Dokumentartheater ein passendes Medium, um die ihm immer dringender werdende Veränderung von Gesellschaft und Individuum gleichermaßen anzuregen. Dies kann seiner Meinung nach geschehen, indem altbekannte Tatsachen in ganz neuen Zusammenhängen dargestellt werden, was eine kritischere und bewusstere Wahrnehmung des Publikums provoziert.
Mit der Arbeit an seinem Theaterstück Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade beginnt er im Jahre 1963. Die Verfremdung ergibt sich in diesem Stück daraus, dass historische Ereignisse im Stück selbst als Theaterstück inszeniert werden. 1964 wird Marat/Sade in Westdeutschland uraufgeführt. In den folgenden Jahren kommt es Theaterstück weltweit zur Aufführung und wird 1966 mit dem Tony Award für das „beste Theaterstück“ ausgezeichnet.
Während der in den frühen 60er-Jahren stattfindenden Auschwitz-Prozesse, in der die Bundesrepublik Gerichtsverfahren zur Aufklärung der Verbrechen des Holocaust aufarbeitet, beginnt eine produktive Zeit für Peter Weiss. Er sieht in den Prozessen auch eine Möglichkeit, sich sowohl mit den Gräueltaten des 3. Reichs als auch mit der eigenen Schuld und dem Schmerz auseinanderzusetzen. Es geht ihm im Wesentlichen darum, das Unsagbare dieser geschichtlichen Katastrophe zu verstehen. Das Stück Die Ermittlung ist eine persönliche Aufarbeitung, die gleichzeitig der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten soll. Seine Stücke sollen dem kollektiven Verdrängungsbedürfnis entgegen wirken und die aktive Erinnerungs- und Aufarbeitungsarbeit forcieren.
Auf der Suche nach einer geeigneten Form, um das Grauen der Vernichtungslager auf die Theaterbühne zu bringen, recherchiert Weiss und arbeitet die Fakten in Dialogen realer Personen mittels anonymisierter Figuren auf und lässt alles vor schlichtem Bühnenbild stattfinden. 1965 wird das Stück Die Ermittlung in über zehn Städten in Ost- und Westdeutschland gleichzeitig aufgeführt und ist damit wichtiger Teil eines gesellschaftlichen Richtungswechsels bezüglich der Aufbereitung der NS-Zeit. 1967 folgt die Uraufführung des Stücks Gesang vom lusitanischen Popanz, in dem Weiss sich mit der Kolonialisierung Spaniens befasst und seine Solidarität schreibend praktiziert.
Schon 1968 folgt die Uraufführung des Stücks Viet Nam Diskurs, worin Weiss deutliche Kritik am Vietnamkrieg formuliert. 1970 folgt die Uraufführung Trotzki im Exil, welches ihn zur Persona non grata in der DDR macht, da der unter Stalin in Ungnade gefallene Leo Trotzki darin die Hauptrolle spielt, welcher die Russische Revolution kritisiert. 1971 wird Hölderlin, 1975 Der Prozess und 1982 Der neue Prozess uraufgeführt. Nicht nur in seinem Leben, auch in seinen Werken entwickelte sich Peter Weiss zunehmend politischer. Seine Haltung wird im Laufe seines Schaffens immer klarer und vor allem das politische (Dokumentar-)Theater gibt ihm die Möglichkeiten, sowohl sich selbst als auch das Theaterpublikum mit gesellschaftsrelevanten Themen zu konfrontieren und Kritik zu äußern. Darin markiert er das Individuum in seiner Verantwortung als Bestandteil einer Gesellschaft, das sich kritisch in ihr beteiligen muss, wenn es sich nicht am Missstand schuldig machen will.