Warum ein Peter-Weiss-Haus ausgerechnet in Rostock? Schließlich war Peter Weiss als Autor, Dramatiker, Filmemacher und Maler sowohl in West- als auch in Ostdeutschland tätig. Prägend war für ihn schlussendlich aber seine Bindung zur DDR. Und zu Rostock. Zwei Männer sorgten für den engen Kontakt zur Hansestadt. Hanns Anselm Perten als Intendant des Rostocker Volkstheaters und Manfred Haiduk als Germanistikprofessor, zu dessen Forschungsschwerpunkten die Werke von Peter Weiss zählten. Diese beiden Männer begleiten Weiss als Freunde und Berater von den 1960er Jahren bis zu seinem Tod.
Hanns Anselm Perten (1917–1985) gelang es als langjähriger Intendant (1952–1985) des Rostocker Volkstheaters, das städtische Theater über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen und Stücke zu inszenieren, die im Rest der DDR nicht gezeigt werden durften. So brachte er auch als erster Weiss‘ Stück Marat/Sade auf eine Bühne der DDR. Am 26.03.1965 feierte man in Rostock Premiere – in Anwesenheit von Peter Weiss und seiner Frau Gunilla Palmstierna-Weiss. Die Interpretation des Stückes hatte Perten mit Manfred Haiduk und Hans-Joachim Bernard aufwendig ausgearbeitet. Anders als in Westdeutschland zeigten sie eine sozialistisch geprägte Version der Thematik. In der Nachbetrachtung gehen einige Stimmen sogar so weit zu behaupten, dass die Rostocker Aufführung das entscheidende Ereignis auf Peter Weiss Weg zum Sozialisten war.
Hocherfreut darüber, dass seine Werke auch in der DDR Zuspruch finden, schreibt Weiss am 4. März 1965 dem Intendanten in Rostock:
Sehr geehrter Herr Perten,
mit grosser Freude erfahre ich, dass Sie an Ihrem Theater den MARAT aufführen werden. Nach den westlichen Versionen dieses Stückes, in denen mein politischer Standpunkt nur ungenügend zur Sprache kam und die Aussagen Marats in dem dankbaren Tohuwabohu eines Irrenhauses ertrinken konnten, bin ich sehr auf Ihre Inszenierung gespannt. Ich kann mir denken, dass bei Ihnen die Proportionen ganz anders verteilt sind und Sade eben wirklich einer untergehenden Welt angehört, während Marat der Visionär ist, den nur die aufkommende Macht der Bürgerlichkeit und des napoleonischen Grössenwahns erdrückt. Marats Worte aber bleiben bestehen, und wenn ich das Stück noch einmal schreiben würde, ich würde versuchen, sie noch stärker und haltbarer zu machen. [...]
Mit herzlichem Gruss
Ihr Peter Weiss
Doch trotz ihrer guten Freundschaft kam es zwischen den Männern zu einem Zerwürfnis als Peter Weiss 1969 das Stück Trotzki im Exil schrieb und um Anmerkungen der Kollegen bat. Trotzki, der in der sowjetischen Geschichtserzählung als Feind des eigenen Systems betrachtet wurde und nahezu gänzlich aus Bildern und Erzählungen getilgt worden war, zum Thema eines Theaterstücks zu machen, bringt Weiss den Bruch mit der DDR. Die Diskussionen um das Stück greifen bald soweit, dass Peter Weiss die Einreise untersagt wird und auch Manfred Haiduk seine Habilitation Der Dramatiker Peter Weiss zunächst nicht veröffentlichen darf.
Schlussendlich entzweit die Debatte um das Trotzki-Stück die drei Freunde aber nicht. Im Zuge des Stücks Hölderlin nimmt Peter Weiss wieder Kontakt zu Perten und Haiduk auf. Ihm fehlt die Zusammenarbeit. Obwohl es auch bei dieser Arbeit ideologische Streitpunkte gibt, trifft man sich, um das Stück zu besprechen. Nach gemeinsamen Überlegungen und strategischem Handeln darf Hölderlin 1973 in Rostock aufgeführt werden.
Peter Weiss betrachtete, trotz der Auseinandersetzungen um das Trotzki-Stück, das Volkstheater Rostock als das Weiss-Theater, da bis auf Trotzki im Exil alle seine Stücke hier aufgeführt wurden. Manfred Haiduk begleitet ihn als Arbeits- und später Lebensfreund viele Jahre. Mit ihm berät er sich immer wieder zu seinen Texten und vor allem auch zu seinem letzten Werk Der Ästhetik des Widerstands. Doch trotz der Versöhnungen lehnt Weiss im Mai 1982 die Ehrendoktorwürde der Wilhelm Pieck Universität Rostock (heute: Universität Rostock) ab. Seit 2009 erinnert das Peter-Weiss-Haus an den Schriftsteller und Künstler.